Reitlehre
- Hilfen - "Hufschlag frei...", 7. Ausg., 1998Die Basis jeglicher Reiterei ist die "Klassische Reitlehre"[1].
Was wäre die Reiterei ohne Sitz und Hilfen?
Nichts! Es geht nichts ohne eine Verständigung - weder
zwischen Menschen, noch zwischen Mensch und Tier -. Der Reiter muß die bescheidenen
Mittel kennen, die ihm dafür zu Verfügung stehen. Es bleibt nur die Verständigung,
bzw. die Übermittlung der Wünsche des Reiters an das Pferd mittels folgender
Hilfen[2]
(nicht: Befehle):
Viele werden sich fragen, warum die Reihenfolge der Hilfen wie oben erwähnt aufgeführt ist.
Es ist die Wichtigkeit der Hilfen!
Zur Ausbildung des Pferdes gehört neben den Hilfen besonders das Belohnen aber auch das Strafen.
Das Belohnen (z.B. Stimme, Klopfen, "Leckerli", Schrittpausen) ist um vieles wichtiger als das Strafen. Zu dem Belohnen wäre noch vieles zu sagen. Da aber die Menschen zu sehr zur Anwendung von Strafen neigen, werde ich dazu einiges anmerken:
Lieber einmal zu wenig, als einmal zuviel strafen!
Wenn man straft, dann aber sofort, mit ruhigem, klaren Kopf in angemessener Stärke. Man muß allerdings sicher sein, daß der "Fehler" durch reine Widersätzlichkeit des Pferdes ausgelöst und nicht durch Angst, "Nicht Verstehen", "Nicht Können" oder sonstwie durch den Reiter verursacht wurde. Des weiteren muß man sicher sein, daß man mit der Strafe "durchkommt" und dabei die nötige Konsequenz aufbringen und durchstehen kann (bei Abwehr des Pferdes, die zuweilen äußerst heftig ausfallen kann, muß dann sofort wieder gestraft werden, bis man "durchkommt")! Dazu muß man wissen, daß man das Pferd nicht ärgern darf und damit zur Gegenwehr treibt, was nur im harmlosesten Fall zu Abstumpfung oder schlimmer zu stärkerer Widersätzlichkeit führt und im schlimmsten Fall Bösartigkeit zur Folge hat.
Ich höre deutlich die Frage nach Sporen, Gerte, Bahn-, Touchierpeitsche sowie Hilfszügel. Dies sind "tote Hilfsmittel", wobei die Sporen das wertvollste "Hilfsmittel" (nicht: Strafmittel) sind. Man sollte sich aber immer in Erinnerung rufen, daß die Sporen das letzte und stärkste "Instrument" der Schenkelhilfe darstellen, d.h., stärkere "Schenkelhilfen" stehen dem Reiter nicht zur Verfügung. Das Pferd soll aber im Rahmen seiner Ausbildung - diese dauert das gesamte Leben als Reitpferd - auf immer feinere Hilfen reagieren. Somit wird klar, daß es ein Unding ist, ein Pferd ständig mit Einsatz der Sporen zu reiten, und damit abzustumpfen, und es gleichzeitig auf feine Hilfen einzustellen.
Gerte, Peitschen und besonders Hilfszügel sind nur Krücken (Geh-Hilfen, bzw. unvollständiger Ersatz der natürlichen Anlagen, bzw. Fähigkeiten des Nutzers), wobei die Gerte noch die akzeptabelste Krücke ist.
Der Einsatz der Gerte (klatschende Geräusche sowie deren unsinniger Einsatz[4] zeugen von der Unfähigkeit des Reiters) führt häufig zu der Vernachlässigung der reellen Hilfengebung und damit zu der Aufgabe der korrekten Ausbildung des Pferdes (Wichtig ist, daß das Pferd reell an den Hilfen steht - bei hergegebenem Rücken am Sitz und am Schenkel). Ihr Einsatz ist für Anfänger, die noch nicht mit den Sporen umgehen können, für junge Pferde und sonst nur zur gelegentlichen Unterstützung gedacht.
Die Bahn- sowie die Touchierpeitsche bedürfen besonderer Erfahrung, um sie nicht fehlerhaft und damit zum Schaden des Pferdes einzusetzen. Daher sei hier nur vor deren Einsatz durch "Laien" und "Möchtegern-Fachleuten" gewarnt - auch bei der "Arbeit des Pferdes an der Hand" -!
Neben den Hilfszügeln[1],[5] - meist geben sie dem Anwender den schönen Schein, zeigen aber deutlich dessen Unfähigkeit - kann auch der Einsatz der Gerte (auch der unsachgemäße Gebrauch der Sporen) und besonders der unfachmännische Einsatz der Bahn- und Touchierpeitsche leicht dazu führen, daß Reiter sowie Ausbilder gegen das Pferd arbeiten, dieses zur Widersätzlichkeit zwingen, es gar quälen und gewiß nicht zu dessen Wohl ausbilden.
Übrigens: Ein Pferd darf nie zu Übungen / Lektionen gezwungen werden, die es zum jeweiligen Zeitpunkt weder körperlich, noch psychisch ausführen kann! Das führt zur Überforderung[6] und damit, wenn überhaupt, zu einer fehlerhaften Ausführung. Damit ist jede weiterführende Ausbildung, aber auch das bisher erreichte, gefährdet, da dem Pferd nur Mittel und Wege gezeigt werden, wie es sich zur Wehr setzen und der Gymnastizierung entziehen kann.
Das Pferd muss den Reiter verstehen und Freude an der Arbeit behalten.
A.G. [*]
[1] A. Groos
[*] in: "Hufschlag frei...", 6. Ausgabe, 1998, S. 8.[2] Nicht die Stärke der Einwirkung, sondern deren Zeitpunkt sowie Qualität/Güte und Zusammenspiel sind maßgebend!
[3] L. Janssen in: "Hufschlag frei...", 6. Ausgabe, 1998, S. 6; ohne diesen Artikel zu kommentieren sei nur darauf hingewiesen, daß in der folgenden Ausgabe von "Hufschlag frei..." (8. Ausgabe) ein weiterer Kommentar zum Sitz des Reiters erscheint.
[4] Ort (nur dort wo der Schenkel einwirkt, in Ausnahmefällen auf der Schulter, nie auf der Kruppe oder sonst an der Hinterhand), Stärke (anlegen oder maximal antippen, aber niemals hauen), Häufigkeit (möglichst selten)
[5] H. Frh. v. Stackelberg, 'Die Krankheit mit den Hilfszügeln' in "Leitlinien für Reiter, Ausbilder und Richter", Verlag H. Rosenberg, Langeln, 1981.
[6] Schädlich ist jegliche Überforderung während der Ausbildung (nicht nur für das Pferd, sondern auch für den Reitschüler)!