Antwort auf "Der runde Hals" von Herrn Rolf Tillessen[1] - 2. Teil / Fortsetzung: - "Hufschlag frei...", 5. Ausg., 1998.
Ich möchte hier nun weitere Stellungnahmen zu Punkten des obigen Artikels folgen lassen.
1. Abteilungsreiten:
Abteilungsreiten ist meines Erachtens nur aus folgenden Gründen sinnvoll bzw. angebracht:
a) Es befinden sich - aus welchen Gründen auch immer - zu viele Reiter in der Reitstunde (z.B. 1980 / 1981 bis zu 16 Reiter in einer "Abteilung" - eigene Erfahrungen aus dieser Zeit als Unterrichtender).
b) Alle, oder zumindest ein Großteil der Reiter wünschen das Abteilungsreiten. Im Normalfall handelt es sich sowohl bei den Reitern als auch bei den Pferden um Individuen. Diese können auch nur als solche gefördert bzw. unterrichtet werden. Der Spaß am Abteilungsreiten soll aber niemandem genommen werden, denn es kann wirklich Spaß machen (siehe auch 1.c).
c) Es werden Quadrillen, Küren oder das Abteilungsreiten an sich, aber auch für Turniere - Dressurprüfungen der Kl. E und Kl. A - eingeübt.
d) Allgemeine Erklärungen erfolgen oder theoretische Fragen bzw. bestimmte Übungen werden be- oder abgehandelt.
Wie unter 1.b) erwähnt, kann eine sinnvolle Ausbildung nur individuell erfolgen. Es will doch sicherlich keiner in eine Schablone gezwängt werden. Schablonen eignen sich nur dazu, viele gleiche Teile zu erstellen! Durch Ausbildung nach einer, bzw. zwängen in eine Schablone wurden bereits zu viele potentielle Reiter dazu veranlaßt, ihre mögliche Passion aufzugeben und sich anderen Beschäftigungen zuzuwenden.
Aber auch jedes Pferd ist ein Individuum und hat damit individuelle Tempi (Punkt 3.). Es gibt z.B. nicht das "Arbeitstempo". Beim Abteilungsreiten kommt es immer wieder vor, daß ein Pferd "Arbeitstempo geht", dagegen das andere Pferd im versammelten oder starkem Tempo geritten werden muß, um den korrekten Abstand einhalten zu können und nicht überholen zu müssen, bzw. den Abstand nicht zu groß werden zu lassen.
Die hier angesprochene Individualität besagt aber nicht, daß es bestimmte Grundsätze gibt, gegen die - vor allem wegen des Wohls der Pferde - verstoßen werden darf. Ein beispielsweise nicht korrekt sitzender Reiter kann niemals ein Pferd im Sinn der klassischen Reitlehre*) reiten, geschweige denn ausbilden, d.h. gymnastizieren - aber auch hier kann keine Schablone angelegt werden, da jeder Reiter unterschiedliche körperliche Voraussetzungen, wie z.B. Längenverhältnis von Rumpf zu Beinen, mitbringt.
2. Lockern des Reiters (Gymnastik)
Ich denke, daß das Lockern des Reiters eine Sache ist, die niemals vor dem Lösen des Pferdes auf diesem stattfinden darf - nach der Lösungsphase des Pferdes ist eine Gymnastik des Reiters witzlos, da dieser vor dem Aufsitzen locker sein muß:
Es muß eine Selbstverständlichkeit sein, sich als Reiter so zu verhalten, daß alles, was dieser tut, zum Wohle des Pferdes dient.
Auf dem frisch aus der Box geholten, selbst noch nicht gelösten Pferd muß der Reiter so sitzen und einwirken, daß das Pferd gelöst wird. Jede Art der Gymnastik des Reiters bedingt störende Bewegungen, die das Pferd veranlassen, sich im Rücken festzuhalten und/oder zu verkrampfen. Somit würde genau das Gegenteil davon erreicht, was das erste Ziel der "Reitstunde" sein muß.
Nochmals: Um ein Pferd zu lösen, muß der Reiter vorher sowohl physisch, d.h. körperlich, als auch psychisch gelöst sein.
3. Sonstiges
Bevor ich schließe, möchte ich noch auf ein Detail eingehen, das heutzutage viel zu oft zu Mißverständnissen führt:
Vorwärts / Tempo
Vorwärts ist nicht gleichbedeutend mit hohem Tempo. Das Aktivieren der Hinterhand ist mit "Vorwärts"-reiten gemeint, d.h., die Hinterhand soll bei (Los-)Gelassenheit zu vermehrter Mitarbeit angeregt werden. Ein hohes Tempo ist dafür nicht erforderlich. Dieses kann sogar zum Gegenteil führen:
Das Pferd muß sich im Rücken festhalten, um das hohe Tempo zu erreichen (erhalten).
Die Folge ist ein mit hoher Frequenz strampelndes Tier.
Dr. A. Groos
[1] R. T., Hufschlag frei..., 3. Ausgabe, 1997.
*) Es gibt nicht die "Moderne" Reitlehre! Jede Abweichung von der klassischen Reitlehre ist ein Irrweg. Siehe auch in der nächsten Ausgabe von "Hufschlag frei...".