Antwort auf "Der runde Hals" von Herrn Rolf Tillessen [*]: - "Hufschlag frei...", 4. Ausg., 1997.
Ich empfinde es als durchaus löblich, daß eine Diskussion über die angesprochenen Themen auch in diesem Medium nicht umgangen wird. Daher möchte ich nun einige persönliche Stellungnahmen zu Punkten des obigen Artikels folgen lassen.
1. Anmerkungen zum Artikel: "Der enge Hals" in "reiten & fahren St.Georg"[1]
Anlaß für die verstärkte Expertendiskussion ist der Artikel: "Hand-Arbeit" von Heinz Meyer in "reiten & fahren St. Georg", Heft 11, 1995, S. 42-43.
Ein Bild ist grundsätzlich nur eine Momentaufnahme und kann es nur sein. Sollte aber die "Arbeit" mit den Pferden wie dort dargestellt verlaufen, ist Protest mehr als nur angebracht (Berechtigte Kritik kann, wie auch die konstruktive Diskussion - leider viel zu selten -, nur nützlich sein). Auch nur zeitweises "Hinter die Senkrechte kommen" ist fehlerhaft.
Grundsätzlich gilt: Egal, wann und wie, die Nasenlinie des Pferdes soll immer vor der Senkrechten sein und sich maximal der Senkrechten nähern. Genauso soll das Genick der höchste Punkt sein und nicht der 2., 3. oder der 4. Halswirbel.
Übrigens, wer häufiger aus dem eigenen Gurkentopf - sprich Verein oder Club etc. - herauskommt und sich auf internationalen, nationalen oder auch nur regionalen Turnieren an den Abreiteplätzen aufhält und aufmerksam zuschaut und zuhört - auch bei der Ausbildung der Reiter bzw. Pferde in den entsprechenden Reitbahnen der privaten Anlagen oder Vereine -, stellt fest, daß in Deutschland die Pferde reeller geritten, sprich ausgebildet werden, als in anderen Ländern. Dennoch besteht dringender Diskussions- und Handlungsbedarf, denn die Tendenz, bei der Ausbildung und auch bei der Beurteilung die Wege der Reitkunst bzw. -lehre zu verlassen, wird immer wieder deutlich.
Wir können uns aber glücklich schätzen, daß mittlerweile auch immer mehr Fachkräfte wach werden und sich den notwendigen Diskussionen stellen[2]. Andererseits darf nun nicht der Fehler begangen werden, die Probleme auf andere abzuschieben und sich mit der Bemerkung in den Sessel zurückzulehnen, man könne ja doch nichts ändern. Vergessen wir nicht, daß es unsere - jedes Reiters - Pflicht ist, sich selbst möglichst gut ausbilden zu lassen - nicht nur in Dressur und/oder im Springen, sondern auch in Haltung und im Umgang etc. - und auch unsere Pferde entsprechend ihrer Veranlagung möglichst weit zu fördern. Nur dann profitieren die Pferde von uns. Ignoranz schadet jedem, besonders den Pferden!
2. Sonstiges
Bevor ich schließe, möchte ich noch auf ein wesentliches Detail eingehen, das heutzutage viel zu oft falsch gemacht wird:
Dehnen / Strecken[3]
Vielleicht fehlt uns heutzutage das feine Gefühl für den Unterschied dieser beiden Wörter, aber dieser ist eklatant:
"Dehnen" bedeutet, daß das Pferd mit leicht nach oben "gebogener" Halswirbelsäule bei aktiv unter den Schwerpunkt tretender Hinterhand und hergegebenen Rücken den Kopf fallen läßt.
"Strecken" bedeutet, daß das Pferd aktiv den Hals mit geraden oder mit leicht nach unten gebogenen Halswirbeln zu Boden streckt (bohrt); dabei ist der Rücken weggedrückt und die Hinterhand tritt nicht unter den Schwerpunkt (nach hinten herausgestreckt)[3, 4].
Übrigens: Wie weit die Dehnung des Halses gehen soll - ob die Maulspalte nur bis zur Höhe des Buggelenks darf, oder ob das Pferd "Sand fressen soll" - hängt meineserachtens sowohl vom Tempo und der Gangart als auch vom Pferd selbst ab. Im Schritt kann der Hals bedenkenlos weiter Richtung Boden gedehnt werden, nicht aber im frischen Trab oder Galopp - das Pferd läuft dann zu sehr auf der Vorhand! -.
Dr. A. Groos
[*] R. T., Hufschlag frei..., 3. Ausgabe, 1997.
[1] J. Hinnemann, "Der enge Hals", in "reiten und fahren St. Georg", 5/1997, S. 82-83.
[2] Besonders beachtenswerte Beiträge sind:
[3] H. Meyer, "Probe aufs Exempel" in "reiten & fahren St. Georg", 2/1996, S. 36-37.
[4] siehe z.B. auch: Jean Froissard, Grundlagen der Dressur für Reiter und Pferd, Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart, 1976, Bild 3, S. 52.